Faszination – Sehnsucht - Entdeckung
Das Barockmuseum Oberaudorf zeigt Europäische Landschaftsmalerei
des 17. und 18. Jahrhunderts
Conni Lechner im Gespräch mit Restaurator und Museumsleiter Jürgen Jung
Conni Lechner: „Ich bin jetzt im Barockmuseum Oberaudorf, sitze mit Jürgen Jung, dem Leiter des Museums, inmitten der Ausstellung „Europäische Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts.” Sie trägt den Untertitel „Faszination, Sehnsucht, Entdeckung.” Was ist so faszinierend an der Barockmalerei?“
Jürgen Jung: „Faszinierend ist, dass mit der Barockmalerei auch die Landschaftsmalerei als eigenständige Kunstform entdeckt wurde. Ab etwa 1580 bis 1600 begann die Landschaftsmalerei, sich als autonomes Kunstwerk zu entwickeln. Dies hatte seinen Ursprung tatsächlich in den Niederlanden und in Antwerpen.
Ab hier sind einige Maler schon sehr früh nach Rom gereist, um das Land der Antike zu erkunden, und das goldene Licht und das warme Klima zu erleben. Im Gegensatz zu ihrer Heimat mit oft nasskaltem Wetter, rauer Seeluft und kurzen und trüben Tagen.
Die ersten Wanderschaften von Künstlern aus den Niederlanden und Antwerpen Richtung Süden fanden unter schwierigen, ja strapaziösen Bedingungen statt. Sie benötigten viel Zeit, reisten oft mit einfachen Mitteln und einige Künstler bezahlten dafür mit ihrem Leben. Trotzdem wurden sie von der Sehnsucht getrieben, ihr Ziel zu erreichen.
Glücklicherweise haben es viele Künstler auch geschafft, und konnten ihre Eindrücke und Erlebnisse auf Papier und Leinwand festhalten. Nach 5 bis 10 Jahren in Italien kehrten sie schließlich in ihre Heimat zurück und konnten anhand der Gemälde und Zeichnungen die neue Welt ihren Kollegen und Sammlern vorstellen. Was wiederum große Neugier und Staunen auslöste, neue Aufträge bescherte, und somit auch den Weg für die nächste Malergeneration ebnete.“
CL:
„Beim Betrachten der Bilder finden sich wiederkehrende Motive. Was sind denn die typischen Stilmittel,
die die Maler eingesetzt haben?“
JJ: „Das lässt sich pauschal gar nicht sagen, die Nachfrage entschied jeweils, ob Naturstücke oder Seestücke geschaffen wurden. Vor allem ging es darum, die Natur oder das Landschaftsbild im goldenen Licht und seinen vielen Farben darzustellen, sowohl das Gebirge als auch das Meer.
Die Landschaftsmalerei sollte einfach Stimmung erzeugen, aber auch eine Welt erschaffen, die die Natur in Ihrer Schönheit und Erhabenheit abbildet, in der man sich einfach wohlfühlt.“
CL: „Also auch die Ehrfurcht vor der Schöpfung.“
JJ: „Der Gedanke war immer präsent. Natürlich ist „Schöpfung“ ein dehnbarer Begriff. Christen sahen die Welt als Schöpfung Gottes, während andere eine kosmische Schöpfung betrachteten, die sich über Jahrmillionen entwickelt hat. Für uns Menschen ist diese Zeitrechnung ein kurzer Wimpernschlag und dennoch ist es erstaunlich, wie viel der Mensch in dieser Zeit geleistet und hervorgebracht hat und seit jeher mit der Landschaft in Einklang lebt.
Mit dieser Ausstellung haben die Besucher die Möglichkeit, eine Zeitreise zu unternehmen, die vor ca. 400 Jahren begann und in eine unberührte Welt zu schauen, die jeder der ausgestellten Künstler auf seine individuelle Art versucht hat, zu interpretieren.“
CL:
„Was ist für dich als Museumsbetreiber und Restaurator wichtig?“
JJ: „Die Kunst den Menschen näherzubringen, insbesondere die Botschaften, den Zeitgeschmack und die individuelle Lebensweise der Künstler für die Besucher verständlich zu machen.
Und als Gemälderestaurator war es für mich immer wichtig, Gemälde in ihren ursprünglichen Charakter zurückzubringen, d.h. Übermalungen und Verschmutzungen freizulegen und die malerische Handschrift und Strahlkraft der Farben, einschließlich der Signaturen, wieder zum Leben zu erwecken. Unser Beruf als Gemälderestaurator ist zeitlebens eine spannende Aufgabe und zugleich ein Abenteuer, bedeutende Künstler wiederzuentdecken und dies ggf. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
CL: „Erstaunlich ist auch, dass ihr keinen Eintritt verlangt und es einen bebilderten Katalog mit ausführlichen Beschreibungen gibt, der kostenlos ausgehändigt wird.“
JJ: „Aufgrund der Sparmaßnahmen der heutigen Zeit wollen wir trotzdem Besucher anziehen, wir möchten, dass die Leute herkommen und nicht aus Kostengründen sagen müssen, nein, das können wir uns nicht leisten.
Deshalb verzichten wir auf Eintritt und geben den Katalog kostenlos heraus, um die Besucher zu begeistern und Freude zu bereiten. Uns ist wichtig, dass niemand auf Kunst verzichten muss, nur weil er finanziell eingeschränkt ist. Kunst ist ein allgemeines Bildungsgut und sollte jedem Menschen, ob arm oder wohlhabend, zugänglich sein.“
CL: „Es sind tolle Traumwelten, die hier zu sehen sind und dazu einladen, wirklich längere Zeit vor einem Bild zu verweilen. Man darf Fragen zu versteckten Details, der Biographie des Künstlers, etc. stellen und bekommt ausführliche Antwort. Das kriegt man nicht in jedem Museum geboten.“
JJ: „Ja, die Besucher schätzen das und sind dankbar für die Begleitung. Wir sind gerne bereit, ihre Fragen zu beantworten. Für viele ist es unheimlich bereichernd, es schafft Vertrauen, dieses Wissen und auch die Vorstellungskraft von damals und heute wahrnehmen zu dürfen.
Als Museum, oder in diesem Fall einer Ausstellung, geht es darum, Kunst den Menschen näherzubringen. Kunst ist Abenteuer, Kunst ist etwas Schönes und ein Teil der Kultur, mit der wir täglich leben, und die auch in Oberaudorf präsentiert werden kann.“
Die Ausstellung "Europäische Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts" -
Faszination - Sehnsucht – Entdeckung
im Barockmuseum Oberaudorf ist noch bis 31. Januar 2026 zu sehen.
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Sonntag von 13 - 18 Uhr
Sonderführungen nach Vereinbarung
Veröffentlicht in den Samerberger Nachrichten am 12.11.2025







