Wilhelm Leibl...

Conni Lechner

 ...und sein künstlerischer Kosmos

Während des Studiums an der Königlichen Akademie der Künste in München (1864 – 1870) besucht Leibl oft die Alte Pinakothek, wo er die Porträt- und Interieurmaler des 17. Jahrhunderts wie Rubens und Rembrandt kopiert und adaptiert, manchmal bis in feinste Details. Da ist einerseits die malerische Raffinesse und Technik, die er sich von den „Alten Meistern“ abschaut, und die für viele seiner Portraits charakteristisch sind.

Andererseits kommt es zur befruchtenden Begegnung mit Gustave Courbet, auf dessen Einladung hin er sich kurze Zeit in Paris aufhält und dort eine lebendige Szene von Künstlern (und Intellektuellen) vorfindet, die, zum Ende des 19. Jahrhunderts, etwas ganz anderes mit der Malerei und dem künstlerischen Ausdruck vorhaben, als es der bisherigen Tradition entsprach. Nicht mehr das „Schöne“, Erhabene soll betont werden, nein, die Darstellung der Wirklichkeit, auch in ihrer vermeintlichen „Hässlichkeit“ wird zum Credo des malerischen Realismus.

Auch in seiner Münchner Ateliergemeinschaft (mit Johann Sperl, Theodor Alt und u.a. Rudolf Hirth du Frênes) stoßen die Ideen des Realismus auf Anklang, und es bildet sich für kurze Zeit der später berühmt gewordene „Leibl-Kreis“ um ihn.

Rezipienten und Kritiker zeigen sich irritiert und reagieren mit Spott, ja Verachtung auf diese neue Kunstströmung, die nicht der geltenden Auffassung entspricht, dass Kunst etwas Schönes darstellen muss, an dem sich der Betrachter erfreuen und bilden kann.

Wilhelm Leibl, der sich allein mit künstlerischen Fragen auseinandersetzt und keinerlei Anstalten macht, dem Publikumsgeschmack zu folgen, kehrt daraufhin München und seinen Salons angewidert den Rücken.

Vor allem die sogenannten Münchner Bauernmaler sind für ihn bloß „Anekdotenjäger, Bauerndramatiker, fesche Dirndl- und saubere Buammaler“, so Leibl, „sie malen Theaterbauern in Bauerntheaterszenarien, zeichnen draußen ihre Skizzen und malen die Bilder dann zu Hause im Atelier fertig, oder sie kostümieren ein belangloses Großstadtmodell mit einer gekauften Bauerntracht.“

Mit seinem Rückzug auf´s Land ab 1873 beginnt für Leibl eine neue Lebens- und Schaffensphase, er entwickelt weitreichende Beziehungen zur Landbevölkerung, die auch zum Gegenstand seiner Malerei wird – bis zu seinem Lebensende im Jahr 1900 bleibt er den Menschen und der Gegend um Bad Aibling treu. Seit jeher empfindet er eine tiefe Naturverbundenheit, und als begeisteter Jäger befindet er sich hier „in seinem Element.“

Sein Freund und Weggefährte, Dr. Julius Mayr, hat Leibl in seiner 1906 herausgebrachten Biographie einmal so beschrieben: „Knorrig und doch lenksam in Muskeln und Knochen, rauh in der Stimme, mit dem Gange eines Keulenträgers, war ihm dennoch ein feiner, vornehmer Schnitt des Antlitzes zu eigen und die klaren blauen Augen schauten fast kindlich in die Welt hinein.“

Vergleichsweise überschaubar ist aus heutiger Sicht das Gesamtwerk Leibl´s, er hinterließ nicht mehr als ca. 200 Malereien und Zeichnungen – aber man darf nicht vergessen, dass er allein an „Die drei Frauen in der Kirche“ vier lange Sommer malte. Sein bekanntestes Werk, das ihn an die Grenzen seiner körperlichen sowie geistigen Leistungsfähigkeit brachte, verlangte auch von seinen Modellen bis zur Fertigstellung vieles ab. So mussten die Frauen bei den unzähligen Sitzungen stundenlang so bewegungslos wie möglich verharren, Mimik, Gestik und Haltung durften sich ja nicht verändern. Oft zerstörte Leibl die Arbeit von Wochen und Monaten, quadratzentimetergroß, wenn er unzufrieden mit dem Ergebnis war, und es ging „von vorne los.“ Dabei wirkt das fertige Bild wie eine Momentaufnahme, die drei Kirchgängerinnen ungestört in ihrer Andacht und Kontemplation, die feinsten Details der Gesichter und die Stofflichkeit der Gewänder, das Spiel von Licht und Schatten in scheinbar müheloser Weise festgehalten.

Der Kunst- und Theaterkritiker Max Bernstein ließ sich auf satirische Weise darüber aus : „Bewund'rung Deinem Fleiß! Doch in der Kunst / Das Schönste ist die Schönheit – mit Vergunst! / Sag' selber, wack'rer Meister Leibl, Möchtest Du eine davon zum Weibl?“

Leibl zeigte sich aufgrund solcher Kommentare unbeeindruckt, hielt er doch mehr auf das „Urteil der einfachen Bauern.“ Im Heimatmuseum Bad Aibling kann man sich auf eine Zeitreise in die Welt des Wilhelm Leibl begeben, u.a. ist dort die historische Wohnstube wiederhergestellt.

Fotos (c) Heimatmuseum Bad Aibling, Archiv Kirche Heilig Kreuz, Berbling

Veröffentlicht in der August Ausgabe Wendelstein Anzeiger, 2021

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