Auf den Teller statt in die Tonne

Conni Lechner

 Ein Gespräch mit Benno Steinbrecher, Mitinitiator und Leiter der Tafel Brannenburg

Aufgabe der „Tafel Deutschland“ ist „Lebensmittel retten. Menschen helfen“. Unter dem Motto „Auf den Teller statt in die Tonne“ wird laut Website www.tafel.de in aktuell über 960 Standorten in Deutschland dafür gesorgt, dass allein pro Jahr rund 265.000 Tonnen Lebensmittel gerettet, und an über 1,6 Millionen Menschen weitergegeben werden.

 

Wie kam es zur Gründung der Tafel Brannenburg?

„2009 erhielt Pfarrer Bernhard Bielasik zu seinem 60. Geburtstag eine Spende über 500 €, diese sollte den Bedürftigen in der Gemeinde zugute kommen und als Grundstein für die Einrichtung einer Tafel dienen. Zunächst haperte es bei der Umsetzung, dann erfuhr ich von dem Vorhaben, stellte spontan meine Bushalle kostenlos als Standort zur Verfügung, vermittelte Einrichtungsgegenstände wie Regale und Theken aus Altbeständen des Prechtl-Marktes und der Kaserne Brannenburg, die sozusagen einem „Recycling“ unterzogen wurden, und so nahm das Projekt nach und nach Gestalt an. Es meldeten sich auch schnell freiwillige ehrenamtliche Helfer, von denen etliche auch bis heute aktiv mit dabei sind. Die Mitgliedschaft im Dachverband „Tafel Deutschland“ ging einher mit der Eröffnung der Tafel durch Pfarrer Bernhard Bielasik und mich als Leiter.“

Wie sieht der Alltag an den Ausgabetagen aus?

„Jeden Mittwoch Vormittag schwärmt eine Truppe mit dem Kühlfahrzeug aus und holt die Lebensmittel von den teilnehmenden Läden in Brannenburg und Flintsbach ab, danach werden die Kisten sorgfältig überprüft, und beschädigte oder ungenießbare Ware aussortiert.

Am Nachmittag öffnet sich dann die Tür der Bushalle und die Lebensmittelausgabe erfolgt, immer zwischen 13.00 und 15.00 Uhr, gegen einen Unkostenbeitrag von 1 €. Insgesamt kümmern sich 18 ehrenamtliche Mitarbeiter und 4 Aushilfen mittwochs um den Ablauf, und des Weiteren tragen Sponsoren und private Spender dazu bei, dass die laufenden Betriebskosten gedeckt werden können. Nachdem ich offensiv auf die Gemeinden zugegangen bin und eine Auflistung der Kosten vorlegte, erhält die Tafel jetzt auch jährlich eine Zahlung aus deren Etats.“

Wie viele Bedürftige sind aktuell bei Ihnen registriert?

„Momentan nutzen ca. 50 Bedürftige pro Monat regelmäßig das Angebot der Tafel, sie müssen sich vorher bei der Kirche, beim Pfarrbüro anmelden und Nachweise wie z.B. Leistungsbescheid/Rentenbescheid vorlegen, und erhalten dann einen Berechtigungsschein. Wer zu uns kommt, braucht die Unterstützung und man merkt auch, dass sie froh sind, etwas zu erhalten. Der gesamte Bedarf kann natürlich nicht abgedeckt werden, die Leute müssen schon einkaufen gehen. Unser Angebot richtet sich ja an alle Altersgruppen, aber vor allem die ältere Bevölkerung scheint eine große Hemmschwelle überwinden zu müssen - viele trauen sich schlichtweg nicht, und hungern lieber, bevor sie etwas annehmen. Man kann die Leute nicht zwingen, aber es gibt so viele Rentner, bei denen es einfach nicht zum Leben reicht.“

Wieviel Zeit können Sie in das Projekt pro Woche investieren?

„Jeden Mittwoch einen halben Tag, dazu bin ich für die gesamte Verwaltung zuständig und Kassierer. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, stellen wir z.B. für unsere Tafelkunden ein „Schweindl“ auf, da zahlen sie den symbolischen Unkostenbeitrag von 1 € ein. Wir bringen das dann zur Bank, wo es ausgeleert wird. Als Unternehmer muss ich meine Zeit gut einteilen, die Abläufe müssen „einfach“ gehalten sein, nur so kann ich das Ganze gut managen.“

Am Ende des Tages ist dann alles abgeräumt?

„Zur Zeit ist das schon der Fall, ja. Wenn etwas übrig bleibt, holt das die Kiefersfeldener Tafel ab, weil die am nächsten Tag ihre Lebensmittelausgabe haben. Aber in letzter Zeit bleibt fast nichts mehr übrig, weil wir auch weniger erhalten. Wir sind auch in guten Kontakt mit anderen Tafeln, wie z.B. Bad Aibling, es gibt oft komplette Lastwagenladungen, die z.B. falsch etikettiert wurden, da schreiben sie uns an und wir bekommen dann einen Teil davon ab.“

Wie sehen Sie die Entwicklung der nächsten Zeit?

„Die Entwicklung kann man nicht vorhersehen, aber wahrscheinlich wird es in Zukunft noch mehr Bedürftige geben. Und wenn die Lebensmittel so knapp werden und wir nichts mehr bekommen und Lebensmittelspenden reduziert werden, dann ist das ein Mords-Problem, weil wir nichts mehr zum Ausgeben haben. Bei den Geldspenden müssen wir nicht bangen, da kommen wir über die Runden.“

Fotos (c) Conni Lechner

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