Sinneswandeln

Conni Lechner

 ...beim Schaukasen der Jaud Kaserei

Bei einem Besuch auf dem Huben Hof durfte ich dem Kaserer, Thomas Jaud über die Schulter schauen - seither habe ich einen besseren Bezug zu regional produzierten Lebensmitteln allgemein und Käse von der Jaud Kaserei im Besonderen.

 

Vor allem weiß ich jetzt genau, was drin ist: frische Heumilch, am Vorabend und in der Früh gemolken, ist die Hauptzutat, und wer meint, Milch ist gleich Milch, der irrt: “die Kühe haben einen sehr empfindlichen Hormonhaushalt und wir achten bei der Haltung und Fütterung darauf, dass sie sich wohl fühlen,” erklärt mir Thomas Jaud. Das heißt für die glücklichen Kühe vom Huben Hof unter anderem: ca. 300 Tage pro Jahr auf der Bergweide mit intakter Pflanzenwelt, ohne Einsatz von Kunstdünger.

 

Heumilch und seine vielfältige Verarbeitung zu etwa Butter, Käse, Joghurt und Quark ist also viel mehr als ein besonderes Geschmackserlebnis - es ist der schonende Umgang mit den Ressourcen und die Wertschätzung der Natur, was seine wahre Qualität ausmacht.

               

„Live“ und hautnah bekomme ich mit, wie Thomas Jaud seinen Käse herstellt: gerade taucht er den Arm in den Kaskessel und testet die Konsistenz in der gelben, suppigen Masse mit den Fingern. Sieht aus wie Schafskäse-Brocken, was da im Kessel schwimmt, jetzt ist der Käse bereit zum Rausnehmen und dann gehen die vielen Arbeitsschritte schnell und dennoch behutsam von der Hand.

Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Kasraum sind sehr hoch. “Der Käse liebt es warm, so um die 30 Grad Celsius hat es schon meistens, aber wenn ich im Sommer den Bergkäse mache, sind wir bei über 50 Grad Celsius, ein türkisches Dampfbad.” 
Die “Seele des Raums” nennt er seinen selbst entwickelten Kaskessel, der 400 Liter Flüssigkeit fasst - eine Spezialanfertigung aus Kupfer. Dafür hat er sich einen Fachmann gesucht, der normalerweise Brauereikessel baut, also mit Kupfer arbeitet. In der Käseherstellung war es alte Tradition, bevor Edelstahl verwendet wurde. “Geschmacklich ein Riesenunterschied, außerdem wirkt Kupfer antibakteriell und man kann auf sehr viel Chemie verzichten.”

Jetzt darf ich auch schon probieren, es gibt Molke - sie schmeckt erfrischend und nicht so säuerlich wie erwartet. Viele seiner Kunden schätzen das Getränk, vor allem wegen der Nährstoffe und gesundheitlichen Wirkung. Sogar Baden kann man darin, Königin Cleopatra musste sich noch mit Eselsmilch begnügen.

Abschließend führt mich Thomas Jaud in den Reiferaum, der bereits vom charakteristischen Duft der vielen Käselaibe erfüllt ist. Dort werden die jungen Laibe “gestreichelt”, mit einer in Wasser getauchten Bürste, um etwaige Keime zu entfernen. “Am Anfang brauchen Laibe ganz viel Liebe“, kommentiert er, und es sieht nach Hingabe aus, was er da macht. Im Regal lagern alle möglichen Reifegrade und Größen - auch recht kleine und flache Laibe, mehrstöckige Hochzeitstorten aus Käse entstehen daraus.

 

Es mangelt nicht an Kreativität und Erfindungsreichtum auf dem Huben Hof, zudem gehören Offenheit und Flexibilität dazu, ihn ökologisch sowie ökonomisch zu betreiben.

 

Im Hofladen erwartet mich eine kleine, aber feine Auswahl an selbst hergestellten Spezialitäten aus Heumilch, sowie auch Marmelade, Likör und Produkte anderer regionaler Produzenten. Der Selbstbedienungsladen basiert auf Vertrauen - bisher kein Risiko für Agnes und Thomas Jaud, viele Kunden schätzen auch die Anonymität beim Einkaufen.

Später verkoste ich dann die beliebtesten Käsesorten und schmecke förmlich heraus, was es alles braucht, damit solche Köstlichkeiten entstehen.

 

Ein Besuch bei der Kaserei Jaud spricht alle fünf Sinne an, man lernt viel Nützliches aus erster Hand und mich hat es angeregt, das eigene Konsumverhalten zu überdenken.

Weitere Informationen über die Jaud Kaserei und das regelmäßig stattfindende Schaukasen unter: https://jauds-kaese.de

Fotos (c) Conni Lechner

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