Das Barockmuseum Oberaudorf

Conni Lechner

Ein Juwel im Inntal

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, auf dem Flohmarkt ein Schnäppchen zu machen, welches sich später als Werk eines berühmten Malers von unschätzbarem Wert entpuppt? Reiner Zufall, also entweder vom Blitz getroffen zu werden oder einen “Sechser im Lotto” zu tippen - deshalb sorgen solche Geschichten gerne für Schlagzeilen in den Medien.

Einer, der seit vielen Jahren als Restaurator, Sammler und Berater für Museen fungiert, und sich über die Zeit ein schier unerschöpfliches Wissen über die jeweiligen Epochen und Maler angeeignet hat, ist Jürgen Jung, Leiter des Barockmuseums Oberaudorf. Ihn hat bisweilen “der Schlag getroffen”, wenn er auf Auktionen vermeintlich unspektakulären Werken begegnet ist, die sein geschultes Auge als Original eines berühmten Künstlers erkannt hat. “Man muss hinter den Staub und den Dreck blicken”, sagt er. Natürlich kann er als erfahrener Restaurator auch leichter die Handschrift des Malers lesen und außerdem vertraut er auf sein Bauchgefühl. Nachdem dann weitere Expertisen angefertigt werden, und damit auch letzte Zweifel an der Echtheit der Werke beseitigt sind, kann Jürgen Jung sich jeweils noch intensiver mit den Malern befassen und durch aufwändige Restauration erstaunliche Details ans Licht bringen sowie den Charakter des Originals wieder herstellen. 

Eine Passion, die er mit seinem Mitstreiter Raimund Schreiber teilt, beide brennen für die Kunst der Alten Meister. 

Barock als Lebensgefühl

“Moderne Kunst - da macht jemand einen Klecks auf den Boden und interpretiert die Welt rein. Ganz anders im Barock, da sehe ich noch große Kunst, die in der akademischen Entwicklung eine unglaubliche Entfaltung hatte, einen Nachklang von großen alten Meistern, den Begründern der modernen Malerei, der Licht-Schatten-Malerei, der Narrative des Lebens, des Seins, des Fokus aus der damaligen Zeit. Wir versuchen, das alles restauratorisch, historisch und interpretatorisch wieder in Zusammenhang zu bringen”, sagt Raimund Schreiber. “Barock ist ein Zeitgeist, kann man sagen”, setzt Jürgen Jung hinzu, "die Vielfältigkeit in so einer neuen Formensprache, einem neuen Realismus, den man bisher nicht kannte. Italien war Deutschland in dieser Hinsicht ca. 10 bis 20 Jahre voraus, bis der neue Stil dann überschwappte. Es war die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg, Pest und Cholera hatten gewütet und alles war zerstört. Die fähigen Künstler waren ins Ausland abgewandert und lernten in Italien oder Holland, erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kehrten sie nach Deutschland zurück. Barock hat den Menschen ein neues Lebensgefühl gegeben, selbst die Kirchenväter haben gesagt, wir müssen den Glauben durch die Gebäude verherrlichen, man muss sich darin toll finden, es muss etwas großartiges werden und begeistern, ja auch in Staunen versetzen, durch die Pracht in der Architektur oder auch der Freskenmalerei.” Barock gilt auch als längste Epoche von allen, nicht nur in der Malerei und für Bildhauer ergaben sich ungeahnte Möglichkeiten, auch bei spirituellen Themen, Philosophie und Lebensführung bahnten sich die neuen Ideen ihren Weg und hielten Einzug in alle Lebensbereiche. Besonders anschaulich in der Vorliebe für das Zelebrieren von Opulenz, Dekor und Festlichkeiten. „Man muss es nicht erklären, was alles dazu geführt hat,“ so Jürgen Jung, „sondern als selbstverständlich sehen.“

Verschollen, verkannt, wiederentdeckt

Auf diese drei Worte bringen die Kuratoren das Leitmotiv des Museums und die Sammlung. Am Anfang steht die Frage: ist das Werk wichtig genug, um in die Sammlung zu gehen? Teils anonyme Werke, in verschmutzten Zustand und auch oft sinnlos übermalt – es vergeht viel Zeit im Laufe der ersten Sichtung, bis das Werk letztendlich aus seinem Schattendasein geholt ist. Hochspannend zusätzlich, wenn es sich als Werk eines wichtigen Vertreters der Barockmalerei entpuppt. Als Besucher vermutet man zunächst nicht, welche Schätze der Portrait-, Landschafts- und Genremalerei ausgestellt sind. Und auch nicht, welche Odyssee manches Bild hinter sich gebracht hat, bis es in neuem Glanz erstrahlen und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Weit über die kunsthistorische Einordnung hinaus gewinnt man wertvolle Einblicke, die einem kein “Audioguide” jemals so anschaulich und lebhaft vermitteln könnte.

Fotos (c) Barockmuseum Oberaudorf, Conni Lechner

Veröffentlicht in der Dezember Ausgabe Wendelstein Anzeiger, 2022

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